Alles im Lot?

Silberlot

Edle Audiokabel und andere Verbindungen im Audiobereich werden heute gerne mit Silberlot gelötet. Dieses Lot wird als Hi-Fi-Zubehör meist mit einem rund 4%igen Silberanteil angeboten. Die Preise reichen von 3 Euro pro Meter bis über 200 Euro für das halbe Kilo. Wer will schon am falschen Ende sparen?

Betrachten wir das mal aus der Nähe ...

Hintergrund

Beim Weichlöten wird die Fuge zwischen zwei Bauteilen zur Herstellung einer elektrisch leitenden Verbindung mit einer Metalllegierung gefüllt. Bei dieser Verbindung ist es wichtig, dass das Lot nicht auf der Oberfläche als Fremdkörper klebt, sondern eine Verbindung eingeht, einen Mischkristall bildet. Die dazu benötigte Temperatur hängt von der Zusammensetzung des Lots ab. Meist werden zwei Temperaturen angeben, wenn Legierungen ein Schmelzintervall haben. Wenn nicht, ist die Rede von einem eutektischen Schmelzpunkt, einer Temperatur, wie bei reinem Metall.

Bleihaltiges Lot ist nicht RoHS-konform. Bleifreies Lot, silberhaltig oder nicht, ist teilweise umstritten. So liest man bei Wikipedia: ´Diese (bleifreie Lote*) haben jedoch meist einen weniger universellen Einsatzbereich und bringen z. T. technische Probleme wie Verspröden und Whiskerbildung (Bildung nadelförmiger Einkristalle auf Grund des hohen Zinnanteils des Lotes*) mit sich. Aus diesem Grund ist bei der Fertigung elektronischer Baugruppen für Medizintechnik, Sicherheitstechnik, Messgeräte, Luft- und Raumfahrt, Bahntechnik, Feuerwehrtechnik sowie für militärische/polizeiliche Verwendung der Einsatz bleifreien Lotes nicht zulässig. Bei elektronischen Baugruppen, die z. B. extremen Temperaturen ausgesetzt sind, oder bei denen der Einsatz von Blei aus anderen Gründen sinnvoll ist, z. B. in der Messtechnik, ist die Verwendung von bleihaltigem Lot dem Ermessen des Herstellers überlassen.´

Leider ist Blei ein langfristig schädigendes Schwermetall, das die Neubildung roter Blutkörperchen beeinträchtigt und das zentrale Nervensystem schädigt.

Die Industrie bietet bleifreies Lot mit 96,5% Zinn, 3% Silber und 0,5% Kupfer (SAC305) oder 95,5% Zinn, 3,8% Silber und 0,7% Kupfer (SAC387) sowie ohne Kupfer, dann mit 96% Zinn und 4% Silber an.

Unser Lot ist mit Flussmittel gefüllt, welches bei der Erwärmung die sich bildende Oxidhaut des Lotes beseitigt und die Oberfläche der zu verbindenden Bauteile anätzt. Flussmittel können durch Zusätze aktiviert werden, welche die Lötung vereinfachen, zugleich aber auch Rückstände hinterlassen.
Neben F-SW-Bezeichnungen nach DIN 8511 haben Flussmittel auch Kennungen nach ISO 9454-1, die aus drei Zahlen bestehen (z.B. 1.2.3). Damit nicht genug, gibt es auch noch eine IPC-Klassifizierung, die sich aus drei Buchstaben und einer Zahl (z.B. ROL1) zusammensetzt.
F-SW26 (1.1.2) ist halogenhaltig, ist schwach aktiviert und hat eine korrosive Rückstandsbildung, die mit der Zeit sogar Lötverbindung unterwandern und zu Unterbrechungen führen kann. Geeigneter für unseren Zweck sind die halogenfreien Flussmittel F-SW32 (1.1.3), F-SW33 (1.2.3) und F-SW34 (2.2.3). Die verbleibende Rückstände sind nicht korrosiv und es gibt sie als NO-CLEAN Qualität. Das heißt: Optisch saubere Lötstellen, geringe Kontamination der Umgebung der Lötstelle und damit eine reduzierte Arbeitsplatzbelastung.

In der Praxis

Seit dem Erscheinen bleifreier Lote arbeite ich damit. Meine Erfahrung ist positiv.
Meist verwende ich ein SAC387 mit halogenfreiem F-SW33 (1.2.3) und eutektischem Schmelzpunkt. Das darin verwendete Flussmittel ist kolophoniumfrei. Übliche Löttemperaturen können zur teilweisen Zersetzung des Kolophoniums führen, wobei unter anderem Aldehyde (Formaldehyd) entstehen. Doch auch ohne Kolophonium ist Lötrauch giftig! Untersuchungen und Studien haben ergeben, daß bleifreie Lote vermehrt kleinste Partikel abgeben, die tief in die Lungen eindringen und zu Schädigungen führen können. Wer häufiger lötet, sollte ernsthaft über die Anschaffung einer Lötrauchabsaugung nachdenken.
Sauberkeit ist beim Löten Voraussetzung, erst recht mit NO-CLEAN Flussmittel. Ein wenig Übung und Geschick ist notwendig, da das Lot nicht so fließt, wie gewohnt. Außerdem sehen einwandfreie bleifreie Lötstellen matter als bleihaltige aus.

4%iges Silberlot ist Industriestandard und die teilweise überzogenen Preise als Hi-Fi-Zubehör muss keiner bezahlen; denn wer im Netz nach 'Sn96Ag4', 'Sn95.5Ag3.8Cu0.7' oder 'Sn96.5Ag3Cu0.5' sucht, wird preiswerte Alternativen von Markenherstellern finden.

Ich habe auch Lot mit 10%igem Silberanteil und Silber-Gold-Lot getestet und keinen Handlungsbedarf hören können.

* Anmerkung des Verfassers

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